Das 19. Jahrhundert gilt als „die klassische Zeit“ (R. Hillenbrand) deutscher bzw. deutschsprachiger Erzählkunst. Erst ab seinem Beginn emanzipiert sich die kürzere Erzählprosa zur eigenständigen, für Schriftsteller*innen und Lesepublikum zunehmend interessanten Literaturform, die – abgesehen von der etwas strenger definierten Novelle – wenigen formalen Vorgaben genügen und sich hinsichtlich ihrer Stoffe und Inhalte keine gattungseigenen Beschränkungen auferlegen muss. „Plötzlich war alles poetisch interessant: Anekdoten, Schwänke, Wirtshaus- und Großmuttergeschichten, Märchen, Sagen und Legenden, Sensationelles, Wunderbares, Grausiges und Phantastisches – wenn man es sich nur denken konnte in bürgerlich-familialer Intimität“ (Peter von Matt), jenem Milieu, welches im 19. Jahrhundert zum wichtigsten Raum literarischer Kommunikation avanciert.

Aus der Fülle deutschsprachiger Erzählungen eines ganzen Jahrhunderts werden im Seminar wenige Texte exemplarisch behandelt. Ordnung und Auswahl folgen dabei nicht der Chronologie des Entstehens, sondern orientieren sich an thematischen Schwerpunkten, an deren literarischer Behandlung in verschiedenen Jahrzehnten und im Kontext unterschiedlicher literarischer Epochen sich sowohl Konstanten als auch Perspektivänderungen und Entwicklungen von der Romantik über das literarische Biedermeier/den Vormärz und den literarischen Realismus bis hin zur Décadence vergleichend herausarbeiten lassen.

Erzählungen folgender Autor*innen werden gelesen und gemeinsam diskutiert: Goethe, Fouqué, Hoffmann, Droste-Hülshoff, Stifter, Raabe, Kompert, Franzos, Wildenbruch, Heyse.  Anregungen der Seminarteilnehmer*innen zur Erweiterung des Programms (etwa für Präsentationen und Hausarbeiten) sind willkommen.