Flucht, Exil und erzwungene Migration sind Themen, die uns vor allem im politischen Rahmen akut beschäftigen. Wie Flucht und Exil, der Verlust von Lebensumfeld und Lebensgrundlage, von Verlag und Lesepublikum Leben und Schreiben von Schriftsteller*innen prägten, die vor Verfolgung und drohender Massenvernichtung aus Nazi-Deutschland flüchten mussten, wird in diesem Seminar exemplarisch Thema sein.
Im Fokus stehen Schriftsteller*innen, die in Großbritannien zeitweilig oder dauerhaft Zuflucht gefunden haben: manche unter ihnen bereits literarisch etabliert und über die Grenzen des deutschsprachigen Raums hinaus bekannt (wie etwa Stefan Zweig oder Hermynia zur Mühlen); andere (wie etwa Robert Neumann oder Hilde Spiel) gerade erst am Beginn ihrer literarischen Karriere stehend, die vom Exil und dem damit einhergehenden Verlust von Buchmarkt, Publikum und sogar Sprache nachhaltig beeinträchtigt wird. Manche der emigrierten Schriftsteller/innen wiederum beginnen erst in England und unter den Bedingungen des Exils mit dem Schreiben, wie etwa der wohl bekannteste politische Lyriker deutscher Sprache in der Nachkriegszeit, Erich Fried.
In dem Seminar werden zentrale Texte von deutschsprachigen Exil-Autor*innen in Großbritannien gelesen und diskutiert. Auswahlkriterium ist dabei nicht in erster Linie ihre Entstehungszeit (zwischen 1933 und 1945), sondern vor allem das Thema des Exils und die verschiedenen Formen, in denen die Schreibenden die Exilsituation zu reflektieren und literarisch zu bewältigen suchen. Neben eingehender Textanalyse und -interpretation sowie Kurzreferaten zu Einzelthemen und Autoren*innen sollen auch einige der wichtigsten kulturellen und politischen Institutionen des Exils in England vorgestellt werden, etwa der „German Service“ der BBC, der deutsche bzw. der österreichische PEN-Club im Exil oder das kulturell wie politisch aktive „Free Austrian Movement“.
Vor dem Hintergrund auch gegenwärtig drängender Fragen um Exil, Flucht, Zuflucht und Asyl erschließt das Seminar sowohl einen wichtigen Abschnitt deutscher Literatur- und Kulturgeschichte als auch ein Stück interkultureller Begegnung und transnationaler kultureller Geographie.