Soziale Netzwerke und mobile Medienplattformen prägen gegenwärtig die mediale Kommunikations­praxis. Diese sogenannten „sozialen Medien“ sind so strukturiert, dass sie zum einen aktiv eine ganze Reihe persönlicher Daten sammeln und zum anderen vielfältige Formulare zur Verfügung stellen, mit deren Hilfe sich Personen selbst dokumentieren können. Der 2011 verstorbene Harold Garfinkel, Begründer der Ethnomethodologie, hat sich bereits seit den 1950er Jahren mit beidem beschäftigt: sowohl mit Kommuni­kationsstrukturen innerhalb sozialer Gruppen als auch mit der Praxis der Dokumentenführung in Organisa­tionen. Sein Ziel war die Entwicklung einer Methodologie, wie in „member’saccounts“ (z.B. Fragebögen und Akten) gesellschaftliche Prozesse repräsentiert werden.

Dieses Seminar stellt zunächst Garfinkels sozialinhärente Informationstheorie vor, die davon ausgeht, dass wir Medienpraktiken nur dann verstehen können, wenn diese ihren eigenen organisationellen Cha­rakter reflektieren. In konkreten technomethodologischen Fallstudien soll gezeigt werden, in welcher Form „accountingpractices“ (wie Tweets, Microblogging usw.) Prämissen über das Suchen, Finden und Filtern von Informationen enthalten. Hierzu werden aktuelle Medienphänomene auf die Anwendung von Sozio­techniken wie „ad hocing“, „et ceterarules“, retrospektiv-prospektive Interpretationen usw. hin überprüft. Dadurch soll der Frage nachgegangen werden, was das „Soziale“ and sozialen Medien ist und inwiefern das Social Web Strukturmerkmale analoger dokumentenbasierter Organisationen aufweist.