„Und ich singe diese Lieder / Tanz’ mit Tränen in den Augen“: Nicht nur Adel Tawils Pop-Hit von 2013 gibt sich gefühlvoll der Vergangenheit hin, vielmehr wird Nostalgie – „a romance with the past“ (Svetlana Boym) – in zahlreichen Musiken dargestellt. Bezüge zu Vergangenem kommen auf verschiedene Weise zum Klingen, z. B. in Inhalt und Wortwahl der Lyrics, aber auch durch traditionelle Instrumente, Gesangstile, Melodien oder auch durch eine Sound-Patina wie das Knistern von Plattenspielernadeln. Ebenso kann das Hören von Musik aus einer anderen Zeit – ob selbst erlebt oder sogar noch älter – nostalgische Emotionen hervorrufen. Tawils „Lieder“ ist ein Beispiel, das beide Ebenen verbindet: die musikalische Darstellung von Nostalgie und die nostalgische Rezeption von Musik.

Im Seminar wird das Verhältnis von Musik und Nostalgie systematisch anhand von theoretischen Grundlagen, ausgewählten Musikbeispielen diverser Stile und Provenienzen sowie anhand von Rezeptionsaspekten diskutiert. Ein Schwerpunkt liegt auf der Auseinandersetzung mit ästhetischen Bewertungen und politischen Implikationen von Nostalgie: Warum und von wem wird nostalgische Musik manchmal als minderwertig betrachtet? Wann geht die über Musik artikulierte Sehnsucht nach Vergangenem mit einer restaurativen Haltung einher? Welche kritischen Aspekte scheinen im Verhältnis von Musik und Nostalgie auf?

Die Metapher vom „Retrophon“ möchte das reflektierende Hören von rückläufigen Musikaspekten auf einen anschaulichen Begriff bringen.