Im Seminar widmen wir uns in erster Linie den Begriffen des ‚Populären‘ und ‚Vulgären‘ in den Jahrzehnten um 1800. An der Wende zum 19. Jahrhundert kommt es zu einer eindeutigen Kultivierung und Nobilitierung des Populären. Die einstigen negativen Konnotationen verschwinden natürlich nicht einfach. Mit der Aufwertung des Populären kommt es nun erst einmal zum Verlust einer Beschreibungskategorie für alles Triviale, Niedrige, Gemeine und Pöbelhafte, das – unrechtmäßigerweise – in der Masse Anklang findet. Unerwünschter Popularität, die zwar Beachtung generiert, aber das eben nur unter Aufopferung ästhetischer wie moralischer Standards, tritt eine kulturelle Elite mit entschiedenen Abwehrreaktionen entgegen. Dabei scheint das ‚Vulgäre‘, was lange Zeit als Komplement des ‚Populären‘ fungierte, als neue Residualkategorie all die pejorativen Momente des ‚Populären‘ in sich zu vereinen und zum Kampfbegriff hochkultureller Akteure zu werden. Auch das ‚Vulgäre‘ kann hohe Aufmerksamkeit erfahren, doch handelt es sich hierbei um eine unerwünschte Aufmerksamkeit, die bekämpft, skandalisiert oder auch verboten wird. Sanktioniert wird dabei immer in einer ästhetischen wie moralischen Perspektive: Neben der ästhetischen Unvollkommenheit, die schon dem ‚Populären‘ eigen war, steht die Anklage des Unanständigen, Sittenlosen und Amoralischen, was in der Folge populistische Argumentationsweisen bekräftigen kann. Unerwünschter Beachtung, als quantitatives Argument vorgebracht, wird dann mit dem Begriff des ‚Vulgären‘ begegnet, der mangelnde Wertigkeit des Werkes und Amoralität des Autors auszudrücken vermag. In letzter Konsequenz, so die These, käme das ‚wahrhaft Populäre‘ einer idealisierten und romantischen Vorstellung von Volk zu, das ‚Vulgäre‘ hingegen dem amoralischen Pöbel. Das ‚Vulgäre‘ ist dann das ‚Populäre der Anderen‘.

Wir werden uns im Seminar den Aushandlungen um wünschenswerte und abzulehnende populäre Literatur über die drei Ebenen der Produktion, der Rezeption und der Rezension nähern und die Argumente untersuchen, mit denen Literatur in das Feld des ‚Vulgären‘ degradiert werden kann und somit als niedere Literatur für den Pöbel disqualifiziert wird.