Die „Kolonie Würde“ wurde 1961 von dem rheinländischen Sektenführer Paul Schäfer in Chile gegründet. Dieser war aufgrund einer Anklage wegen Kindesmissbrauchs aus Deutschland geflohen, zahlreiche seiner Anhänger waren ihm gefolgt. Mit großem Geschick verstand es Schäfer, nicht nur seine eigenen Anhänger zu manipulieren und diese seiner autoritären, auf sexuelle, körperliche und psychische Gewalt beruhenden Führerschaft zu unterwerfen. Auch auf politischer und internationaler Ebene agierte er erfolgreich. Seit 1973 unterhielt Schäfer beste Beziehungen zum Militärregime unter Augusto Pinochet, dem er die „Kolonie“ als Folterzentrum für politische Gefangene zur Verfügung stellte. Die deutsche Vorzeigegemeinschaft betrieb ein regionales Krankenhaus, war wirtschaftlich erfolgreich und pflegte das heimatliche „Brauchtum“ im Ausland. Damit galt sie der Botschaft der Bundesrepublik in Santiago als Aushängeschild deutscher Tugenden und bekam Unterstützung von westdeutschen Politikern (unter ihnen der ehemalige bayerische Ministerpräsident Franz-Josef-Strauss). Die innerhalb der Kolonie stattfindenden massiven Menschenrechtsverletzungen an Sektenmitgliedern, Kindern und politischen Gefangenen konnten erst ab 2005, nach der Verhaftung Schäfers, gerichtlich aufgearbeitet werden.

In dem Seminar gehen wir der historischen Entwicklung der Colonia Dignidad nach. Dabei liegt ein Fokus auf der Verflechtung der Ereignisse innerhalb der Kolonie mit den politischen Entwicklungen und Akteuren in Chile und Deutschland.

Einführende Lektüre:

Horst Rückert: Vom Folterzentrum der Militärdiktatur zum Ferienort. Die Geschichte der "Villa Baviera" in Chile. Stuttgart: Verlag Hans-Dieter Heinz, Akademischer Verlag 2017.