Mittag um 14 Uhr suchen

 

In einem französischen Sprichwort heißt es: Mittag um vierzehn Uhr suchen und beinhaltet einen Widerspruch: die logische und chronologische Form der unmöglichen Gleichzeitigkeit zweier Zeiten, das heißt zweier Ereignisse, die in der Zeit getrennt sind und nicht zur selben Zeit gegeben sein können. Der Ausdruck gerät in eine merkwürdige Schwebe zwischen Aktiv und Passiv. Ein Geschehen wird unterbrochen und stillgelegt.

 

In diesem experimentellen Zwischen- und Erfahrungsraum entsteht ein Ort der Produktion und der free software, der eine Architektur der Narration mit einer mächtigen Stummheit entfaltet: anwesend und gleichzeitig abwesend, unverfügbar. Das Unverfügbare sperrt sich gegen direkte Zugänglichkeit, Beobachtung und Vermittlung, die gleichwohl Vorbedingung jeglichen Erkenntnisgewinns darstellt. Das Unverfügbare zieht Grenzen und widersetzt sich gegenüber der Vorstellung von gewolltem und greifbarem Wissen. Aus genau diesem Grund ist das Unverfügbare zugleich Ärgernis und Ferment für jede künstlerische Arbeit. Es ereignet sich inmitten dessen, was wir zu kennen, zu wissen und zu haben glauben. Es berührt, animiert ebenso wie es überfordert, herausreißt und zurückwirft.

 

Bietet die Leere nicht aber doch Anhaltspunkte für eine künstlerische Aneignung? Lässt sich daraus etwas erschließen, was erlaubt, so etwas wie Unverfügbarkeit verfügbar zu machen? Welchen Spielraum eröffnet das Unverfügbare und Unvorhersehbare im Kunstunterricht? Kunstunterricht sollte sich nicht auf eine belehrende Vermittlung des Wissens beschränken, ist aber auch nicht ohne Wissen denkbar. Wir werden in diesem Seminar deshalb zunächst untersuchen, wie viel Leere möglich und wie viel Wissen nötig ist. Wir erkunden und praktizieren künstlerische Strategien der Aneignung fremden Materials bzw. fremder Orte und deren Vermittlung:  mit leeren Händen, in der Stille und im Austausch mit SchülerInnen, Studierenden und Lehrerenden, die diese Herausforderung angenommen haben.