Die Stimme ist es, die zu den wenigen Körpermerkmalen gehört, welche sich im Laufe unseres Lebens, vom männlichen Stimmbruch einmal abgesehen, kaum verändern. Stimmen sind so etwas wie akustische Fingerabdrücke: Zwar können wir sie verstellen und technisch verändern, aber grundsätzlich werden wir damit schnell identifiziert (in alten Filmen wickeln die Erpresser deshalb am Telefon gern Taschentücher um die Sprechmuschel).

Die Stimme verleiht uns die Fähigkeit zum lautlichen Sinn und Unsinn durch Sprechen, Singen, Schreien und Geräuschemachen. Von ,Visual Studiesʻ und Bild-Wissenschaften ist, gerade in der Medienwissenschaft, derzeit viel – nun ja – die Rede. Aber akustische Parameter sind mehr denn je Teil der Medien- und Kultursphäre. Unendlich viele Stimmen erklingen aus den Smartphones (schöne Grüße auch von Siri!) und auf Youtube, und viel länger schon hört man sie im Tonfilm, Radio, Telefon und Fernsehen. So soll es bereits Menschen geben wie Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) im Film Her (den wir natürlich im Seminar behandeln müssen!), die sich unsterblich in eine technisch reproduzierte Stimme verlieben. Schon Roland Barthes, der große französische Denker, kannte ja die „Erotik der Stimme“. Und wie verhält es sich eigentlich, grundsätzlicher gefragt, mit unserer „inneren Stimme“, der Stimme in unserem Kopf? Führen wir nicht ununterbrochen stumme Selbstgespräche? „Die Stimme lebt in jedem Schweigen“, heißt es bei Samuel Beckett.

Allerdings vertritt der Seminarleiter die These, dass sich akustische Ereignisse, wie die Stimme, vom Visuellen, von Bildern also, ebenso wenig trennen lassen, wie sich das Sehen vom Hören trennen ließe. Dass unsere Sinne aufeinander bezogen sind, dass sie korrespondieren, sich auch stören mitunter, nennt man Synästhesie – was wir im Seminar, theoretisch verankert, als Medien-Synästhesie verstehen wollen. In ausgewählten Media Plays (Hörkünste, Filme…) untersuchen wir solche Wechselbeziehungen. Denn Medienprodukte eignen sich recht gut, über grundsätzliche Fragen der Vergleichenden Medienwissenschaft nachzudenken: etwa über die Beziehungen von Stimme, Musik, Sprache, Schrift und Bild.

 Literaturhinweis: Doris Kolesch, Sybille Krämer (Hrsg.): Stimme. Annäherung an ein Phänomen, Frankfurt a.M. 2006.