Veranstaltungsnummer: 1037210007, Mi. 10:00 bis 12:00 Uhr, 13.04.2016 bis

20.07.2016, AR-K 613 Medienraum


Die Science and Technology Studies haben sich in all ihren theoretischen und methodischen Varianten als bahnbrechend für die kultur- und technikwissenschaftliche Erforschung von medialen Praktiken erwiesen. Dennoch stellen diese Untersuchungen keine medienwissenschaftlichen Forschungen im engeren Sinne dar, sie folgen stattdessen den Erkenntnisinteressen der sie tragenden Fächer, wie der Soziologie, der Kulturwissenschaft und der Technikgeschichte. Daher stellt sich die Frage, was die Lektüre Science and Technology Studies für die Medienwissenschaft so attraktiv macht. Eine mögliche Antwort lautet: Die differenzierte Auseinandersetzung mit dem Vermittlungspotential von Medien auf einer mikroanalytischen Ebene. Vor allem ist es den Schriften der US-amerikanischen Technik- und Wissenschaftssoziologin Susan Leigh Stars in Rechnung zu stellen, dieses Vermittlungspotential gleichermaßen anerkennend zu markieren als auch zu problematisieren. Ihre und James Griesemers populäre Studie „Institutional Ecology, 'Translations' and Boundary Objects” von 1989, zeigt auf, dass eine durch sogenannte Grenzobjekte (Boundary Objects) ermöglichte „Kooperation ohne Konsens“ wissenschaftliche Institutionen und Arbeitszusammenhänge erst ins Leben ruft. Zwei Jahre später publizierte Star „Power, Technologies and the Phenomenology of Conventions“. Hier wurden die sozialen Konsequenzen standardisierter Medientechnologien in den Blick genommen und lenkten damit erstmals die Aufmerksamkeit der Science and Technology Studies auf die Marginalisierung nicht konformer Nutzer und ihre machtvolle Grenzerfahrung. Für die Diskussion des kooperationsbildenden und isolierenden Potentials von Medien werden im Seminar die Schriften des Übersetzungsbandes „Susan Leigh Star: Grenzobjekte und Medienforschung“ (herausgegeben von Sebastian Gießmann und Nadine Taha) herangezogen. Der im Herbst 2016 erscheinen Band – den Seminarteilnehmern werden die Schriften vor dem offiziellen Erscheinungstermin zur Verfügung gestellt ! – präsentiert ausgewählte Schriften Stars erstmal in deutscher Sprache. Anhand des Bandes sollen die Seminarteilnehmer medienwissenschaftlich relevante Konzepte zu Informationsinfrastrukturen, „unsichtbarer Arbeit“, Standards und Grenzobjekte untersuchen und dabei die Möglichkeiten der medienwissenschaftliche Aneignung der mittlerweile klassisch gewordenen Texte ausloten.