Medien formen unser Bewusstsein. Alles, wofür wir Worte haben, was wir schon einmal auf Bildern gesehen haben oder was uns klanglich vertraut ist, können wir besonders prägnant wahrnehmen, fühlen und bedenken. Wir bringen das Unbekannte und Neuartige in Form der uns zur Verfügung stehenden Wörter, Bilder und Klänge auf einen gedanklichen Nenner. Die Welt und alles was in ihr ist, selbst unsere eigenen Regungen und Strebungen, kommt uns durch den Filter medialer Formen zu Bewusstsein.
Bisher ging man davon aus, dass das Bewusstsein an einen individuellen Menschenkörper gebunden ist und auf diese Weise Personalität konstituiert. In jüngster Zeit fragen Philosophen aber auch nach der Möglichkeit eines Bewusstseins, das nicht ans Individuum gebunden ist, sondern als ein emergentes Gruppenphänomen zu denken ist. Uns allen ist z.B. das Phänomen vertraut, dass bestimmte körperliche Anstrengungen leichter fallen, wenn man sie in der Gruppe vollzieht. Ein gemeinsamer Dauerlauf ist sehr viel leichter durchzuhalten als wenn man alleine läuft. Obwohl doch die körperliche Anstrengung die gleiche ist, scheint das In-der-Gruppe-sein einen Motivationsschub für alle Beteiligten zu bewirken, der sich nicht auf das Einzelbewusstsein reduzieren lässt.
Wenn dem so ist und man tatsächlich von der Möglichkeit des Kollektivbewusstseins ausgehen muss, lässt sich dann ein solches Kollektivbewusstsein auch adressieren? Gibt es Bilder, Klänge und Texte, die sich gar nicht an einzelne LeserInnen, BetrachterInnen und HörerInnen wenden, sondern an Klein- und Großgruppen und die von diesen Gruppen im Modus der Wir-Intentionalität gelesen, betrachtet und angehört werden?
Und wenn Medien in der Lage sind, das Individualbewusstsein durch und durch zu prägen, prägen sie dann auch in ähnlicher Weise das Kollektivbewusstsein von Paaren, Cliquen, Banden, Teams, Organisationen, Nationen, Kulturen? Wie kann man sich das vorstellen und wie kann man das auf methodologisch kontrollierte Weise analysieren? - Diesen Fragen widmet sich das Seminar Yes We Can. Mediale Formen der Wir-Intentionalität. Der Titel deutet schon an, dass einer der Schwerpunkte des Seminars auf den politischen Implikationen medial angereizter Wir-Intentionalität liegen wird. Aber es werden auch Beispiele der Kunst und der Unterhaltungsmedialität diskutiert werden, Beispiele der bildenden Kunst, der Oper, des klassischen Romans, des Spielfilms, der Popmusik und des Computerspiels. – Voraussetzung für das Seminar ist also ein Interesse an grundlegenden bewusstseinsphilosophischen und medientheoretischen Fragestellungen, ein Interesse an den politischen Zeitläuften und ihren medialen Bedingungen sowie die Lust und der Mut sich auf ein recht breites Themengebiet und sehr unterschiedliche Diskurse und Mediengattungen einzulassen.

Die Materialien zum Seminar werden z.T. zu Seminarbeginn vorgestellt, z.T. soll das Corpus im Seminar selbst erarbeitet werden.