Wer einmal Uwe Nettelbeck gelesen hat, wird wieder auf ihn zurückkommen: Seit den frühen 1960ern schrieb er Filmkritiken, die ihn in der Bundesrepublik berühmt – und Gerichtsreportagen, die ihm im ›Establishment‹ Feinde machten; er legte das Fundament für das, was heute ›Pop-Kritik‹ heißt, und tat sich als Produzent der Krautrock-Gruppe Faust hervor. Nicht zuletzt mischte er sich als Redakteur der Polit-Zeitschrift Konkret in Grundsatzdiskussionen um linke Publizistik ein, bis er Anfang der 1970er aus dem ›Kulturbetrieb‹ ausstieg, um sich ihm umso kompromissloser zuzuwenden. Die Republik – lies: ›res publica‹, die öffentliche Sache – hieß die Zeitschrift, die er gemeinsam mit seiner Frau Petra Nettelbeck von 1976 bis zu seinem Tode herausgab, und die (wiederholt) öffentlich machte, was sich in Presse, Funk und Fernsehen ereignete. Die Republik soll im Zentrum des Seminars stehen und Ausgangspunkt sein für eine Vermessung vom ›Werk‹ des Schriftstellers Uwe Nettelbeck. Wir wollen fragen: Was ist das für eine merkwürdige Literatur, die etwa aus dem einfachen Abschreiben ›trivialkultureller‹ Phänomene wie Quiz-Sendungen besteht? Wer spricht in Nettelbecks vielstimmigen Zitat-Montagen eigentlich? In welcher sprachkritischen Tradition stehen Nettelbecks Stilblütensammlungen aus dem bundesrepublikanischen Feuilleton? Und: Was bedeutet es für einen Literatur- bzw. Werkbegriff wenn Nettelbeck die Entstehung eines Textes durch das Abschreiben der Briefwechsel zwischen ihm und Verlegern/Redakteuren selbst zum Thema macht? Diesen Fragen will das Seminar nachgehen indem es ausgewählte Texte Nettelbecks liest, sie mit zeitgenössischen literarischen sowie theoretischen Entwürfen konfrontiert und seine (Ab-)Schreibmethode in einem medienhistorischen Kontext situiert; dabei immer im Blick behaltend, dass es mit einem Autor zu tun hat, der einmal schrieb: »Autor wird, wer es sich gefallen lässt« (Mainz wie es singt und lacht, 1976).