Die Bereiche des Ästhetischen und der Moral weisen eine gewisse Ähnlichkeit auf: In beiden haben wir es in ontologischer Hinsicht mit Werten und in epistemischer Hinsicht mit Werturteilen zu tun. Aber manche Philosoph*innen gehen davon aus, dass die Kunst noch eine stärkere Beziehung zur Moral hat. So wurde und wird mitunter behauptet, der Wert von Kunstwerken beruhe ganz oder teilweise auf ihrem moralischen Gehalt (Ethizismus). Auf der anderen Seite stehen Vertreter*innen der sogenannten Autonomiethese, die besagt, Kunst sei völlig unabhängig vom Bereich des Moralischen oder sie solle es zumindest sein. Faktisch wurde und wird Kunst oft durch politische oder gesellschaftliche Akteure für Zwecke der moralischen Sensibilisierung und Identifikation instrumentalisiert: Manche Kunstwerke (v.a. Literatur oder Filme) zeigen uns einen positiven moralischen bzw. tugendhaften Lebenswandel auf, andere dienen als abschreckende Beispiele für unmoralisches oder gar teuflisches Verhalten. Mitunter will Kunst aber auch bewusst bestehende gesellschaftliche oder politische Strukturen und Standards kritisieren. Dabei gibt es auch Kunstwerke, die bewusst die Grenzen des moralisch Erlaubten dehnen oder vielleicht sogar überschreiten. Man denke nur an die Aktionen des Zentrums für politische Schönheit oder an Jonathan Meeses Hitlergruß.
Im Seminar wollen wir die Zusammenhänge zwischen Kunst und Moral näher beleuchten. Wir wollen unter anderem die folgenden Fragen stellen: Kann ein moralischer Gehalt den ästhetischen Wert von Kunst erhöhen, schmälern oder jedenfalls beeinflussen? Muss Kunst völlig unabhängig vom Bereich des Moralischen sein? Kann Kunst unmoralisch sein? Wie weit geht die künstlerische Freiheit? Gibt es moralische Grenzen des künstlerisch Erlaubten? Und ist es in Ordnung, Kunstwerke von moralisch fragwürdigen Künstler*innen (wie Harvey Weinstein) weiterhin zu rezipieren?
- Dozent/in: Larissa Berger