Une philosophie en devenir, eine Philosophie im Werden, nennt der
französische Philosophiehistoriker Xavier Tilliette das Denken Friedrich
Wilhelm Joseph Schellings (*1775; †1854). Wenn das richtig ist, dann
präsentiert uns Schelling in seinen Schriften nicht ein abgeschlossenes
System, sondern (Zwischen-)Resultate einer Denkentwicklung – einer
Denkentwicklung, die zunächst bei der kantischen
Transzendentalphilosophie ansetzt, die aber bald über sie hinausgeht und
an deren Ende schließlich Gedanken stehen, die weit in die Philosophie
des 20. Jahrhunderts reichen. Einen Text Schellings zu lesen und zu
verstehen, heißt damit auch, seinen Platz in dieser Entwicklung zu
kennen. Im Seminar wollen wir die sogenannte Freiheitsschrift (1809)
lesen und verstehen. Hier entwickelt Schelling eine äußerst komplexe,
aber überaus faszinierende Konzeption menschlicher Freiheit. Die
Relevanz dieses Themas für unser Welt- und Selbstverstehen ist
offenkundig. Wie das Bestehen von Freiheit (logisch, metaphysisch,
theologisch) zu rechtfertigen ist, ist ein philosophisches Problem
ersten Ranges. Um dieses Problem geht es Schelling und um dieses
Probleme soll es auch uns gehen. Unsere Lektüre der Freiheitsschrift
wird drei Ziele verfolgen: (1) Eine philosophiehistorisch fundierte
Lektürekompetenz zu entwickeln, (2) am Leitfaden des Textes einen
Einblick in Schellings Denkentwicklung zu gewinnen, (3) unseren Blick
für die systematischen Schwierigkeiten und Subtilitäten des
Freiheitsproblems zu schärfen.
- Dozent/in: Fabian Marx