Wie Körper und Geist zusammenhängen, ist einer der ältesten Fragen der Philosophie. Lange Zeit fiel dabei gerade im westlichen Denken dem Körper eine untergeordnete Rolle zu. Er wurde entweder als Hindernis angesehen, das es zu überwinden gilt oder aber als biologisches Material, das durch den Geist kontrolliert und beliebig geformt werden kann.

Mit dem Aufkommen der Phänomenologie erfuhr die Debatte eine neue Schlagrichtung. Der Leib als Zwischenmedium von Körper und Geist wurde eingeführt. Dieser vermochte es, die praktische und gesellschaftsrelevante Bedeutung der Philosophie neu zu bestimmen, da nur durch den Leib die Welt für das Subjekt erfahrbar wird. Denn er wird als Subjekt der Wahrnehmung verstanden, welches erst durch den Körper ermöglicht wird. Für die Phänomenologie ist menschliche Freiheit – verstanden als existenzialistischer Weltentwurf – nur durch den Leib bedingt erfahrbar. Der Leib ist das Bewusstsein vom eigenen Körper und zugleich Erinnerungsspeicher und damit Bewahrer jeder Erfahrung des Subjekts.

Wohl kaum von der Phänomenologie selbst intendiert, zeigte sie sich für die feministische Theorie der 1980er Jahre als ertragreiche Quelle, da erstere der Leiblichkeit einen so großen Stellenwert in ihrem Denken einräumt. Wurde von feministischen Theoretiker*innen seit der ersten Stunde kritisiert, dass der Geist und das Rationale traditionell dem männlichen Subjekt zugeschrieben und alles Körperliche, „Natürliche“ im weiblichen Geschlecht verortet wird, bietet sich mit der Phänomenologie eine Denkrichtung, mit der in diese dichotome, patriarchale Logik interveniert werden kann. Der Leib wird hier als immer schon vergeschlechtlichter Leib verstanden – mit allen Konsequenzen für das Selbst, das Zwischenmenschliche und den Zugang zur Welt, die mit dieser Vorstellung einhergehen. In der feministischen Weiterentwicklung der phänomenologischen Denkschule wird der Leiblichkeit und damit auch dem Körper eine noch zentralere Rolle beigemessen, wenn beispielsweise danach gefragt wird, ob nicht auch der Körper selbst als eigenständig handelndes Subjekt verstanden werden muss: Mit der Philosophin Donna Haraway gesprochen: „Der Körper, das Objekt des biologischen Diskurses, wird selbst ein höchst engagiertes Wesen“ (Haraway 1988, 95).

Im Seminar werden wir uns mit phänomenologischen „Klassikern“ wie Maurice Merleau-Ponty, aber auch mit zu Unrecht weniger diskutierten Phänomenolog*innen wie Simone de Beauvoir und Jean Améry beschäftigen und schließlich Vertreterinnen der neueren, feministischen Phänomenologie (Iris Marion Young, Judith Butler) kennenlernen. Auf diese Weise untersuchen wir, wie Körper, Leib (und Geist) zusammenhängen, werden dies aber aus einer dezidiert körper-zentrierten Perspektive tun.