Grundrechte, Menschenrechte und Menschenwürde teilen eine Reihe bemerkenswerter Eigenschaften miteinander. Sie gelten beispielsweise als unveräußerlich bzw. unantastbar. Sie kommen ihrem Selbstverständnis nach allen Menschen als Menschen zu. Zudem scheinen sie rechtlich von sehr grundlegendem Charakter zu sein. So wird etwa im ersten Artikel des deutschen Grundgesetzes jegliche Staatsgewalt fundamental darauf verpflichtet, die Menschenwürde zu achten und zu schützen.

Wie erklären wir uns diese besonderen Eigenschaften? Wie beispielsweise ist es zu verstehen und zu begründen, dass auch jene, die die Menschenwürde anderer missachten und verletzen, in der strafrechtlichen Verfolgung ihrer Rechtsbrüche nicht selbst Opfer von Willkür und Entwürdigung werden dürfen?

Die praktische Philosophie bietet dazu eine Reihe spannender Theorien an. Sie alle bergen allerdings auch gewisse Schwierigkeiten, scheinen jeweils nur begrenzt tragfähig zu sein. Doch gerade dort, wo Recht und Würde auf bedingungslose, ganz allgemeine Geltung drängen, dürften wir wohl auch allgemeingültige Begründungen verlangen und erwarten. Andererseits: Kann es überhaupt Argumente oder Überzeugungen geben, welche so breit angelegt und allgemein teilbar sind, dass sie nicht doch wieder nur (kulturell) begrenzte Wirkung entfalten?

Vor dem Hintergrund dieser und weiterer Fragen machen wir uns im Seminar mit der Philosophie Otfried Höffes bekannt. In der vertragstheoretischen Tradition von Thomas Hobbes stehend entwickelt er einen vielbeachteten zeitgenössischen Ansatz zur Begründung von Menschenrechten. Welche bekannten Schwierigkeiten vermag Höffes Tauschmodell zu lösen? Welche etwaigen neuen Probleme treten auf? Wie erhellend ist sein Ansatz für uns in einer Zeit, in der sich die Grundrechte einerseits grotesker Vereinnahmung ausgesetzt sehen, andererseits aber auch unverhohlen in Zweifel gezogen werden?