Die protestantischen Positionen und Haltungen der evangelischen Kirchen im Nationalsozialismus waren vielfältig: Vom deutschchristlichen Reichsbischof Ludwig Müller bis zu dem 1945 hingerichteten Theologen Dietrich Bonhoeffer, von der Mehrheit der nationalprotestantisch eingestellten Pfarrerschaft bis zu dem im KZ Buchenwald ermordeten Pfarrer Paul Schneider ergibt sich ein vielschichtiges Bild von Mitläufertum im protestantischen Mainstream, von Bekenntnischristentum und von vereinzeltem Widerstand im Nationalsozialismus. Auch die Bekennende Kirche, in der sich der Teil des Protestantismus zusammenfand, der sich gegen Eingriffe des Staates in die Kirchenstrukturen wehrte, war zunehmend in Gruppen zersplittert, die unterschiedliche Strategien im Umgang mit dem Nationalsozialismus präferierten. Ein über punktuelle Aktionen hinausgehender Einsatz für Jüdinnen und Juden, auch für diejenigen innerhalb der christlichen Gemeinden, für Behinderte und vom System Verfolgte und Diskriminierte erfolgte nicht. Der Staat wiederum, der mit dem nationalsozialistischen Totalitarismus eine eigene Pseudoreligion entwickelt hatte, verschärfte Ende der 1930er Jahre und in den 1940er Jahren seine kirchenfeindliche Politik. In dem Seminar wird den verschiedenen Facetten des Verhältnisses von Kirche und Nationalsozialismus in den Jahren 1933 bis 1945 nachgegangen, mit dem Ziel, einerseits einen Überblick über die Gemengelagen zu gewinnen, andererseits anhand konkreter Konfliktfelder Einzelpositionen im sogenannten Kirchenkampf umfassend zu beleuchten, zu erörtern und zu verstehen.