Keine anderen Gebäude spalten die heutige Gesellschaft so sehr wie die Bauten, die als sogenannte Nachkriegsarchitektur gelten. Während sie von manchen als hässliche Betonblöcke, Schandflecken der Architektur oder einfach nur als Geschmacksverkalkung betitelt werden, feiern andere sie frenetisch als innovative Bauten, die eindrucksvoll das geschichtliche, gesellschaftliche sowie politische Bild einer spannenden Epoche einfangen, die unbedingt bewahrt werden müssen. Debatten und Diskussion zum Erhalt oder dem Abriss dieser geschichtsträchtigen Architektur, sind heute in der Denkmalpflege und dem Städtebau an der Tagesordnung und fordern dazu auf sich bereits während des Architekturstudiums genauer mit dieser Thematik auseinanderzusetzen, die nicht nur Laien, sondern auch die architektonische und denkmalpflegerische Fachwelt spaltet.
Doch was genau steckt hinter dem Begriff „Nachkriegsmoderne“? Was genau macht diese Bauten aus und sehen alle Bauten, denen das Label „Nachkriegsmoderne“ aufgedrückt wird, gleich aus?
Ist Nachkriegsmoderne wirklich gleich Nachkriegsmoderne?
Entstanden zwischen den entbehrungsreichen Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, dem deutschen Wirtschaftswunder der 1950er und 1960er Jahre sowie der Zeit der Umbrüche, Veränderungen und Krisen der 1970er Jahre mit ihren neuen sozialen Bewegungen (Anti-Atom-Initiative, Umweltschutzorganisationen, der neue Feminismus), zeigen sich die Bauten der Nachkriegsmoderne, wie auch diese einzelnen Jahrzehnte, architektonisch sowie gestalterisch sehr unterschiedlich.
So reicht die architektonische Bandbreite über Bauten im funktionalen Internationalen Stil, der mit seinen gläsernen Fassaden und seinen filigranen Konstruktionsprofilen für Entzücken sorgte, bis hin zu den monumentalen Gebäuden des Betonbrutalismus, der aufgrund seiner teils monströsen Wirkung in der heutigen Zeit meist negative Reaktionen hervorruft.
Wir sehen uns ausgewählte Bauten der Nachkriegsmoderne genauer an, um einen detaillierten Blick zu bekommen, was mit diesem Begriff gemeint ist. Dabei analysieren wir nicht nur ihre Bauweise, sondern auch ihren historischen Kontext, wodurch uns spannende Einsichten in die architektonische, gesellschaftliche und soziale Denkweise jener Epoche eröffnet werden, die ein weitreichendes Verständnis dieser Bauten vermittelt.
Hierzu begeben wir uns auf eine faszinierende architekturhistorische Zeitreise, in der sich zum einen durch die Architektur das neue Selbstbewusstseins Deutschlands ausdrückte sowie auch ein sozial-demokratisches Ideal, sich neue Materialien durchsetzten und Experimentierfreude den deutschen Städtebau und die Architektenszene auszeichneten, auf der uns zahlreiche der bekanntesten deutschen Architekten der heutigen Zeit, wie Gottfried Böhm, Rolf Gutbrod oder Fritz Eller begegnen werden.
Neben der historischen Komponente werden wir uns mit der aktuellen Diskussion im Bereich der Denkmalpflege auseinandersetzen und Probleme mit dem Umbau sowie mit der heutigen Wertung dieser Bauten in den Blick nehmen. Viele Gebäude der Nachkriegsmoderne wurden in den letzten Jahren vernachlässigt. Bewohner, Architekten und Denkmalpfleger stehen oft vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, den Bestand umzubauen, zu restaurieren oder weiterzuentwickeln, sodass ebenfalls jene Probleme in den Blick genommen werden.
Als Beispiele dienen uns hierbei die vielen Beispiele in NRW (u.a. Dreischeibenhochhaus in Düsseldorf, zahlreiche Gebäude der Universität zu Köln sowie die zahlreichen Kirchenbauten von Böhm, Kanzlerbungalow in Bonn etc.).
- Dozent/in: Tanja Kilzer