Das Werk, mit dem wir uns im Seminar befassen, gilt bekanntlich als ein
klassischer, unverzichtbarer Bestandteil der philosophiehistorischen
Bildung. Es stellt aber seine Leserinnen und Leser vor ein signifikantes
Paradox. Das Buch ist nämlich als solches in der überlieferten Form
bzw. unter dem tradierten Titel von Aristoteles nie konzipiert worden
und hat dennoch den Namen und die Grundfragen jener philosophischen
Disziplin bestimmt, die in der Denkgeschichte als Metaphysik bezeichnet
wird. Die Herausforderung des Seminars besteht gerade darin, diesem
Paradox nachzugehen. Wir verfolgen im Text die unterschiedlichen
Bemühungen des Aristoteles zurück, eine Wissenschaft (die „gesuchte
Wissenschaft“) zu begründen, welche die grundlegenden, ersten Prinzipien
der Wirklichkeit erforscht, wobei wir diese theoretische Suche in der
Entwicklung des aristotelischen Denkens sowie im Spannungsfeld der
philosophischen Debatten der Antike verorten. Andererseits gilt es, die
textuelle und systematische Entstehung einer Begrifflichkeit zu
erhellen, welche die Sprache und den Erkenntnishorizont der Philosophie
bis heute entscheidend geprägt hat. Bei der Lektüre des Buches werden
wir im Besonderen vier (zusammenhängende) Problemkonstellationen unter
die Lupe nehmen: Aristoteles’ Auseinandersetzung mit der platonischen
Ideen- und Ursachenlehre; den Entwurf einer universellen Wissenschaft
des Seienden als Seienden; die Theorie der Substanz und schließlich die
Lehre einer sich selbst denkenden göttlichen Vernunft, welche als
Prinzip der himmlischen Bewegung dem Kosmos übergeordnet ist.
- Dozent/in: Andreas Bender
- Dozent/in: Mario Meliadò