Das Philosophieren über das gute Leben und das menschliche Glück ist in
der Antike nur schwer von dem Versuch loszulösen, eine Lebensform zu
definieren, die dieses Glück mittels der Philosophie zu verwirklichen
beansprucht. Die Rezeption der Nikomachischen Ethik des
Aristoteles, in der paradigmatisch die Vollendung des Menschen als Akt
theoretischer Erkenntnis dargelegt wird, bildete im lateinischen
Mittelalter den Ausgangspunkt einer weitreichenden Debatte, die das
philosophische Glücksideal einer christlichen Anthropologie
gegenüberstellte, der zufolge die menschliche Natur von einem
strukturellen Gefallensein bestimmt wird und auf eine überirdische,
göttliche Rettung angewiesen ist. Im Laufe des Seminars befassen wir uns
mit den Verwandlungen des philosophischen Lebensmodells bei drei
zentralen Autoren des 13. und 14. Jahrhunderts, die jeweils eine eigene
Auffassung der Philosophie und ihrer Rolle verteidigen und eine
spezifische Figur des Intellektuellen verkörpern: Boethius von Dacien (†
um 1284), kontroverser Philosophiemagister an der Pariser
Artes-Fakultät; Thomas von Aquin (†1274), Dominikaner und
Theologieprofessor an der Universität und an den Studia des
Ordens; und Dante Alighieri (†1321), Laie ohne akademischen Grad und
Dichter, der in der Volkssprache sein intellektuelles Projekt für ein
breiteres Publikum entwickelte. Anhand einer Reihe von Grundfragen
(Welche ist das letzte Ziel des menschlichen Lebens? Kann der Mensch
durch seine natürlichen Fähigkeiten die Vollendung seiner Natur
erlangen? Wie trägt das Philosophieren dazu bei? Ist das Glück eine
Tätigkeit der Vernunft?) werden drei unterschiedliche Modelle
philosophischer Ethik im Mittelalter rekonstruiert und ihre
metaphysischen und theologischen Implikationen veranschaulicht.
- Dozent/in: Andreas Bender
- Dozent/in: Mario Meliadò