Oft beschleicht einen im Zuge der Globalisierung das Gefühl, dass sich
ähnlich wie politische, rechtliche oder wirtschaftliche auch ästhetisch
Normen einführen lassen könnten - eine Annahme, die im Gegensatz zur
erfahrbaren Vielfalt steht. Ungeachtet des Wissens um problematische
eurozentristische, bzw. westliche Ausrichtungen und deren prinzipielle
Ablehnung und postkoloniale Aufarbeitungstendenzen, werden mitunter
gerade im kulturellen Bereich immer noch jene Ästhetiken als Parameter
genommen, die im Rahmen der westlichen Kulturgeschichte erlernt und
geprägt wurden. Die Beurteilung und Kategorisierung von Kunst in Werte
wie „schön“, „gut“ oder aber auch „richtig“, liegt oft an anders
geprägten Seh- oder auch Hörgewohnheiten, sowie auch an der
unerschütterlichen Gewissheit um die eigene Urteilskraft. Um diesen
Gewohnheiten gerecht zu werden, wird nicht selten die Ästhetik den
Vorstellungen westlicher Rezipienten angepasst. Der Hauch des Fremden
umweht weiterhin kulturelle Praxen, die aus außereuropäischen Ländern
hiesige Breitengrade erreichen - diese werden aber zuweilen so
adaptiert, dass sie nichts „Befremdliches“ mehr an sich tragen.
Irritationen die durch fremde Ästhetik entstehen könnten, werden
möglichst in eine Form überführt, die das Andere, die kulturelle
Differenz erahnen lassen, aber so, dass sie für westliche Augen und
Ohren verständlich sind.
Das zeigt sich auch und besonders bei Theaterinszenierungen, die bei
internationalen Festivals zur Aufführung kommen. Diese bezeugen zum
einen die Vielfalt kultureller Traditionen, zeigen aber auch die
Annährungen der unterschiedlichen kulturellen Formen.
Im Seminar werden Aufzeichnungen verschiedener Theaterinszenierungen
angesehen, besprochen und in Teilen analysiert. Die Idee ist, zunächst
das ästhetische Fassungsvermögen zu erweitern und eigene Sehgewohnheiten
sowie die ästhetische Urteilsbildung auch mit Hilfe von Literatur
kritisch zu hinterfragen.
- Dozent/in: Hannah Neumann