Die sinnlich erfahrbaren Gestalten des Mediums Computer sind aktuell einem Wandel unterzogen, der u. a. mit Begriffen wie Ubiquitous Computing, Haptic Interaction und Wearable Technology belegt wird. Zu der seit den 1970er-Jahren erstaunlich stabilen Anordnung aus Bildschirm mit grafischer Bedienoberfläche, Maus und Tastatur – das gängige  WIMP (Windows, Icons, Menu, Pointer)-Paradigma – treten neue User Interfaces hinzu. Diese reichen vom Touchscreen über Gesten- und Sprachsteuerungen bis hin zu vermeintlich vermittlungsfreien Formen in sog. ‚smart environments‘.

Parallel zu diesen Entwicklungen hat sich in den letzten Jahren ein internationaler Diskurs um Interfaces und Bedienschnittstellen in der Medienwissenschaft etabliert, in dem verschiedene Forschungsziele verfolgt werden. Einerseits geht es darum, den Begriff des Interfaces auf eine theoretisch tragfähige Basis zu stellen und zum Begriff des Mediums ins Verhältnis zu setzen. Andere Ansätze widmen sich einer Historisierung von Konzepten der Human-Computer Interaction oder analysieren konkrete Interface-Anordnungen im Hinblick auf ihre oft verborgenen Machtdimensionen. Leitfrage des Seminars ist dabei: Wie kritisiert man ein Interface? Welche Kriterien und Gegenstandsdimensionen sind dafür relevant? Welche methodisch-theoretischen Zugänge zur Interface-Kritik gibt es?

Im Rahmen des Seminars sollen diese neueren Ansätze der Interfaceforschung kennengelernt und mit vorliegenden sowie eigenen materialbasierten Auseinandersetzungen in einen Dialog gebracht werden. Dazu werden im Wechsel theoretische und historisch ausgerichtete Texte der medienwissenschaftlichen Interfaceforschung gelesen und exemplarische Fallstudien diskutiert, die sich beispielsweise mit der Ästhetik und den Affordanzen populärer Anwendungen wie Snapchat oder der Kacheloptik der aktuellen Windows-Generationen auseinandersetzen. Ziel des Seminars ist der Einstieg in ein junges und vitales Feld der Medienwissenschaft, das sich international gerade erst ausdifferenziert.

Die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit englischsprachiger Literatur wird vorausgesetzt.

Ausgewählte Literatur:

Boomen, Marianne van den (2014): Transcoding the Digital: How Metaphors Matter in New Media, Amsterdam: Institute of Network Cultures.

Distelmeyer, Jan (2017): Machtzeichen. Anordnungen des Computers, Berlin: Bertz + Fischer.

Galloway, Alexander R. (2012): The Interface Effect, Cambridge: Polity Press.

Hadler, Florian, Joachim Haupt (Hg.) (2016): Interface Critique, Berlin: Kadmos.

Hookway, Branden (2014): Interface, Cambridge, Mass.: MIT Press.

Pold, Søren, Christian Ulrik Andersen (Hg.) (2011): Interface Criticism: Aesthetics Beyond Buttons, Aarhus: Aarhus University Press.

Robben, Bernard, Heidi Schelhowe (Hg.) (2012): Be-greifbare Interaktionen. Der allgegenwärtige Computer: Touchscreens, Wearables, Tangibles und Ubiquitous Computing, Bielefeld: Transcript.

Sprenger, Florian, Christoph Engemann (Hg.) (2015): Das Internet der Dinge. Über smarte Objekte, intelligente Umgebungen und die technische Durchdringung der Welt, Bielefeld: Transcript.