Es gibt Fragen an die Natur, die von den Naturwissenschaften nicht beantwortet – oder vielleicht nicht einmal gestellt werden: Fragen etwa, die „zu“ grundlegend, „zu“ fachübergreifend oder zu umfassend, vielleicht auch zu spekulativ sind, als daß die einzelnen Wissenschaften sich damit befassen könnten oder wollten. (Beispiele sind etwa allgemeinste Fragen über Raum, Zeit, Materie, Reduktion, Leben, Geist, Umwelt.) Aber es gibt eine philosophische Disziplin, die sich seit jeher damit beschäftigt, solche Fragen zu stellen, zu reflektieren, gelegentlich auch zu lösen. Man nennt sie Naturphilosophie. Im Verlauf ihrer Geschichte wurden viele Fragen gestellt und noch weit mehr unterschiedliche Antworten gegeben. Entsprechend verschieden sind auch die Formen, die Naturphilosophie selbst angenommen hat und die Auffassungen, die von ihr vertreten wurden: Den einen galt sie als Vorstufe der Wissenschaft, anderen als eigenständige oder sogar bevorzugte Erkenntnisweise der Natur, wieder anderen als von den empirischen Wissenschaften überholte, ja schädliche Spekulation. Auch heute streitet man sich über ihre Aufgaben: Soll sie die Naturwissenschaften einerseits begründen, andererseits zusammenfassen oder vielmehr einen ganz anderen Zugang zur und Umgang mit der Natur ermöglichen? Im Seminar soll der Weg der Naturphilosophie von den Anfängen bis zu den modernen Klassikern und ihre Bezüge zu Kosmologie, Kosmogonie, Astronomie, Physik, Chemie, Biologie und Anthropologie anhand der Lektüre wichtiger Texte und in Referaten nachgezeichnet und kritisch diskutiert werden.