Eines der seit jeher umstrittensten Lehrstücke der Kritik der reinen Vernunft stellt das sog. „Leitfadenkapitel“ dar, in dem Kant behauptet, dass die Grundbegriffe des reinen Verstandes (Kategorien) einen Zusammenhang besitzen, der „eine Regel an die Hand [gibt], nach welcher jedem reinen Verstandesbegriff seine Stelle und allen insgesamt ihre Vollständigkeit a priori bestimmt werden kann“ (A 67/B 92). Sowohl die These, dass die logischen Funktionen des Verstandes in Urteilen als Leitfaden zur Auffindung der reinen Verstandesbegriffe (Kategorien) dienen können, als auch die behauptete Vollständigkeit der Urteilstafel sind vielfach bestritten worden und bis heute Gegenstand der Diskussion.

Wir werden im Seminar zunächst die Einleitung des Leifadenkapitels (A 66/B 91-A 69/B 94) lesen und uns dann mit der einflussreichen Rekonstruktion der kantischen Begründung für die Vollständigkeit der Urteilstafel durch Klaus Reich beschäftigen.